„Sterbende sichtbar und hörbar machen“

11.10.2006, 07:54 von Hans Spiegl

„Zeit zu gehen“: Der Dokumentarfilm der evangelischen Theologin Anita Natmeßnig über das Sterben im Hospiz am Rennweg ist im Rahmen der Viennale zu sehen

Wien – Mit einem großen Tabu unserer Zeit, dem Sterben, beschäftigt sich der Dokumentarfilm „Zeit zu gehen“ der evangelischen Theologin und Filmemacherin Mag. Anita Natmeßnig. Er ist im Rahmen der diesjährigen Viennale am Mittwoch, dem 25. Oktober, um 18.30 Uhr im Urania-Kino in Wien zu sehen. „Ich will Sterbende sichtbar und hörbar machen und ein Votum für die Hospizidee abgeben“, sagt Natmeßnig zum Anliegen ihres Filmes gegenüber epd Ö. Ihr Dokumentarfilm wurde im Caritas Socialis Hospiz am Rennweg in Wien gedreht. „Zeit zu gehen“ läuft am 17. November auch im Filmcasino und den Village Cinemas in Wien, im City Kino in Linz, im Cinematograph in Innsbruck und im kiz Kino in Graz an.

Die großen Fragen

Das Thema Sterben habe sie „schon sehr lange beschäftigt“, sagt Natmeßnig und bezieht sich damit auch „auf die großen Fragen – wohin gehen wir, woher kommen wir?“ Das Hospiz am Rennweg hat sie im Zuge eines Praktikums für ihre Ausbildung zur Psychotherapeutin kennengelernt. In diesem Hospiz werde „ein besonderer Umgang mit dem Sterben als einem natürlichen Teil des Lebens“ gepflegt, betont die Filmemacherin.

Natmeßnig und ihr Team hatten drei Monate lang die Möglichkeit, am Alltag im Hospiz teilzunehmen. Das Hospiz kann 12 Patienten aufnehmen. Der Film zeigt, wie vier unheilbar krebskranke Menschen die letzten Monate, Wochen und Tage ihres Lebens verbringen. In langen ruhigen Einstellungen kann man die Interaktionen zwischen Hospiz-Team, Patienten und Angehörigen beobachten. Die Protagonisten in „Zeit zu gehen“ geben ganz offen Einblick in die Dinge, die sie beschäftigen. Sie reden über das Sterben, den Tod und ein mögliches Leben danach. Natmeßnig weist darauf hin, dass für ihren Film keine Einstellungen im Hospiz inszeniert oder wiederholt wurden.

In Würde bis zum Ende leben

„Ich wünsche mir, dass in unserer gesamten Gesellschaft eine Form des Umgangs mit sterbenden Menschen gepflegt wird wie im Hospiz“, erklärt Natmeßnig. Die Filmemacherin hofft, dass ihr Film „die Menschen berührt und die Angst vorm Sterben nimmt“. Denn das Sterben, so Natmeßnig, sei „eine Lebensphase und der Tod nur der Übergang“. Die „Hospizidee“ bedeutet für sie: „Lebensqualität für Menschen, deren Krankheit nicht mehr geheilt werden kann; Sterben als normale Phase des Lebens akzeptieren, die wie das Säuglingsalter viel Unterstützung braucht.“ Sterben heißt „leben, und in Würde bis zum Ende leben, sollte ein Menschenrecht für alle sein“, beschreibt die Filmemacherin eine Intention des Films.

Anita Natmeßnig wurde 1963 in Klagenfurt geboren und studierte Evangelische Theologie und Kunstgeschichte. Sie absolviert derzeit eine Ausbildung zur Psychotherapeutin und arbeitet als freiberufliche Filmemacherin. Seit fünfzehn Jahren ist sie für das Fernsehen tätig und hat zahlreiche TV-Dokumentationen über Hermann Nitsch, Adolf Holl und Günter Brus u.a. gestaltet. „Zeit zu gehen“ ist ihr erster Kinodokumentarfilm.


::